Unser Pressesprecher Bernd Platzer im Interview mit Martin Paweletz, Bereichsleiter ÖAMTC Medien:
Bernd Platzer: Der ÖAMTC zieht bald in seine neue Zentrale im 11. Bezirk. Solche Momente könnten dafür herhalten, auch organisatorisch zu entrümpeln.
Martin Paweletz: In der neuen Zentrale schaffen wir offene und flexible Strukturen für das Zusammenarbeiten. Das Interdisziplinäre werden wir stärken, damit wir schnelle und gute Lösungen für unsere Mitglieder ermöglichen. Alle Mitarbeiter werden einen Arbeitsplatz vorfinden, aber es wird keine Einzelbüros mehr geben. Wo früher ein Leiter sein Büro mit Besprechungstisch hatte, gibt es von nun an eine gemeinsame Nutzung der Infrastruktur.
Platzer: Du leitest den Bereich Medien. Was sind Deine Aufgaben?
Paweletz: Ich verantworte die Medienstrategie sowie ihre wirtschaftliche und operative Ausrichtung. In einem Achsensystem aufgetragen, von Nutzwert und Service hin zu Inspiration und Unterhaltung, erfüllen wir mit unseren Medien die unterschiedlichen Bedürfnisse unserer Mitglieder.
Die an unsere Mitglieder gerichteten Medien sind der auto touring als Printmagazin und die digitale Version, ÖAMTC.at, die große ÖAMTC-App, die Führerschein-App und die Reise-App.
Ich berichte dem Verbandsdirektorium, aber mein direkter Vorgesetzer ist Verbandsdirektor Oliver Schmerold.
Platzer: Wie viele Menschen arbeiten im Medienbereich beim ÖAMTC?
Paweletz: Es sind um die 60 im Bereich Medien, also beim auto touring, den Online-Medien und in der Mobilitätsinformation (Verkehr und Parken).
Platzer: Der auto touring ist Österreichs reichweitenstärkstes Printmagazin. Laut Media-Analyse 2015/2016 sind es 1,97 Millionen Leser, was einer Reichweite von 27 Prozent entspricht.
Paweletz: Ein Großteil der Mitglieder ist mit dem Smartphone unterwegs und hier arbeiten wir stark mit direkter Kommunikation. In seiner Präsenz und im Storytelling ist der auto touring noch durch nichts zu ersetzen.
2010 wurden die Umfänge reduziert. Es schien bergab zu gehen. Wir haben aber richtige Schritte gesetzt, die Ästhetik und Inhalt betrafen und seit diesem Zeitpunkt haben wir vier Prozentpunkte in der Reichweite gewonnen. Das ist eine gewaltige Entwicklung in einem sonst stagnierenden Markt.
Platzer: Seht Ihr Unterschiede zwischen Euren Medien-Aktivitäten und einem privatwirtschaftlich geführten Medienunternehmen?
Paweletz: Als ÖAMTC verstehen wir unsere Print- und Online-Produkte als Dienstleistung an unseren Mitgliedern. Sie stärken die Markenkernwerte Unabhängigkeit, Vertrauenswürdigkeit und Kompetenz. Wir sind eine Stimme, die politisch komplett unabhängig ist, auch wenn das viele nicht glauben. Wir sind es auch wirtschaftlich, was sehr wichtig ist! Dadurch können wir ausschließlich im Interesse unserer Mitglieder agieren.
Platzer: Wie digital sind die Mitglieder des ÖAMTC?
Paweletz: Wir haben rund eine Million Unique Clients im Monat. Das durchschnittliche Mitglied besucht uns über digitale Wege zwei Mal im Monat. Im September zählten wir 2,2 Millionen Visits auf ÖAMTC.at und rund 240.000 Visits unserer Apps. Man nutzt uns, wenn man eine mobilitätsbezogene Information braucht. Stark nachgefragte Services sind Routenplaner, Rechtsberatung, Reiseinformationen und Tests.
Platzer: Der ÖAMTC ist finanziell ein solide ausgestatteter Verein. In welchen Geschäftsfeldern ist der ÖAMTC tätig?
Paweletz: Der ÖAMTC tut, was in seinen Statuten steht. In erster Linie sind wir ein Notfallsanbieter und zweitens ein Informationsanbieter. Wir bieten eine vernünftige Alltagsbegleitung und die beste Nothilfe. Das allermeiste Geld fließt in den Ausbau der Nothilfe und die Erneuerung des Stützpunktnetzes. Ein wichtiges Ziel war es, Hilfe in einer Zeit von unter 30 Minuten anzubieten. In der Alltagsbegleitung sind wir Versicherungsvermittler, Reisebüroanbieter, rechtliche und technische Beratung, Routenplanung, Verkehrsinformation.
Aber der ÖAMTC kann seine Dienstleistungen und Einrichtungen für seine Mitglieder nur zu etwa zwei Drittel durch die jährlichen Beitragseinnahmen finanzieren. Um weder Dienstleistungen einschränken noch die Mitgliedsbeiträge deutlich erhöhen zu müssen, ist es dem gemeinnützigen Verein ÖAMTC gestattet, Beteiligungen an Tochtergesellschaften zu halten. Über diese werden zusätzlich gewerbliche Tätigkeiten, wie z.B. Versicherungs- oder Reisen-Vermittlungen durchgeführt, da sichergestellt ist, dass solcherart erwirtschaftete Erträge ausschließlich wieder dem Verein, seinen Zwecken und somit allen seinen Mitgliedern zu Gute kommen.
Platzer: Zwei Jahre nach der schwersten Krise in der Vereinsgeschichte traf der ADAC heuer eine grundlegende Entscheidung. Verein und wirtschaftliche Interessen sollen künftig strikt getrennt sein. Wie ist der Zustand dazu im ÖAMTC?
Paweletz: Wir sind grundsätzlich anders organisiert als der ADAC und unsere Tätigkeiten sind sauber aufgesetzt.Der ÖAMTC und seine Landesvereine werden jedes Jahr von unterschiedlichen unabhängigen Wirtschaftsprüfern geprüft und die Abschlüsse den jeweiligen Mitgliederversammlungen zur Genehmigung vorgelegt. Der ÖAMTC unterzieht sich außerdem einer freiwilligen Prüfung der gelebten Vereinspraxis durch Vereinsprüfer.
In allen Bereichen, in denen der ÖAMTC kommerziell aktiv ist, tut er das über Tochtergesellschaften. Diese legen von unabhängigen Wirtschaftsprüfern geprüfte Jahresabschlüsse, die von jedermann im Firmenbuch eingesehen werden können. Etwaige Gewinne der Tochtergesellschaften werden nach Versteuerung dem Vereinsvermögen zugeführt.
Platzer: Während der ARBÖ im vergangenen Jahrzehnt zehn Prozent seiner Mitglieder verloren hat, konnte der ÖAMTC seinen Mitgliederstand deutlich ausbauen: Ihr haltet bei über zwei Millionen Mitgliedern – fast fünf Mal so viele wie Euer Konkurrent ARBÖ. Welches Erklärmodell habt Ihr für diesen Erfolg?
Paweletz: Als unabhängiger Verein versuchen wir die Dienstleisterqualität zu heben. Man kann die Vereine nicht vergleichen. Es gibt bei uns auch dieses Schielen nicht. Wir gehen unseren Weg.
Platzer: Bei all diesem Erfolg: Warum seid Ihr nicht werbefrei?
Paweletz: Die Produktion der Zeitung ist eine sehr teure Dienstleistung. Und wir können sie nur zum Teil durch die Mitgliederbeiträge finanzieren. Eine Ausrichtung am Werbemarkt ist gut für die Qualität einer Publikation, weil sie dann auch den Qualitätsansprüchen der Inserenten genügen muss. Aber unsere Unabhängigkeit ist ein Wert der Bestand hat im steigenden Kommerzialisierungsdruck der Branche.
Platzer: Es scheint, der ÖAMTC hängt sehr am KFZ. Habt Ihr auch ein Leistungsversprechen für Menschen ohne Auto oder gehören die nicht zu Eurer Zielgruppe?
Paweletz: Für den ÖAMTC muss Mobilität leistbar, sozial verträglich, ressourcenschonend, einfach zugänglich und individuell gestaltbar sein – unabhängig von den jeweiligen Verkehrsmitteln sowie demografischen und räumlichen Strukturen. Das heißt, wir wollen dem Wandel der Gesellschaft Rechnung tragen. Mobilität ist heute nicht nur mehr auf ein Verkehrsmittel beschränkt und ist auch durch regionale Unterschiede geprägt.
Seit langer Zeit ist deshalb nicht das Auto Mitglied, sondern die Person. Diese Person bezieht Leistungen unabhängig von ihrer Art der Fortbewegung. Die Touring-Mitgliedschaft ist ein Angebot für Menschen ohne Auto. Auch im Zeitalter von „shared mobility“ ist unabhängige Nothilfe, ohne Reparaturinteresse, ein Wert. In 80 Prozent der Fälle gibt es mit uns eine Weiterfahrt ohne Reparatur
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